Reifenpanne

Schiff verpasst

Es ist Ende Januar 1989, die Regensaison ist auf ihrem Höhepunkt. Ich befinde mich in einem Bus, der mich und ein paar Leidensgenossen von Bali direkt nach Bima, der Hauptstadt von Ostsumbawa bringen soll. Es pisst die ganze Zeit.

Irgendwo in der Pampa, mitten in der Nacht, im grössten Regen hat der Bus eine Reifenpanne. Im Scheinwerferlicht eines Lastwagens wird das Rad gewechselt. Die ganze Mecherei dauert rund eine Stunde. Und weiter geht die Reise über die Trans-Sumbawa, die deren Namen nicht gerecht wird.

In Bima "schnell" auf einen Minibus nach Sape umsteigen und Schei...benkleister! Ich kann die Fähre am Horizont noch deutlich sehen, aber sie ist weg! Verpasst um vielleicht eine Stunde. Die nächste sticht erst in zwei Tagen wieder in See!

Schlammpiste

Bitte schieben!

Labuanbajo 1989 - einen modernen Landesteg, wie er heute existiert, gibt es noch nicht. Die Fähre legt direkt am Strand an. Die "Stadt" besteht aus einer Reihe von Häusern auf der linken und rechten Seite der Jalan Pantai (Strandstrasse).

Der Tourismus steckt noch in den Kinderschuhen. Man ist hauptsächlich auf Rucksackreisende vorbereitet. Trotzdem gibt es schon einige Gasthäuser und ein paar kleine Hotels. Ich finde auf der Anhöhe einen grandios gelegenen Losmen (indonesische Herberge).

Die Aussicht über die Bucht von Labuanbajo ist einmalig. Es scheint eine gute Unterkunft zu sein. Denn die indonesische Familie, welche bereits in Sape im selben Gasthaus übernachtet hat, quartiert sich ebenfalls hier ein. Ich organisiere mir noch ein Busticket nach Ruteng. Bei ein paar Bierchen geniesse ich den Ausblick und gehe schliesslich zeitig schlafen.

Am nächsten Morgen werde ich in aller herrgottsfrühe von einem recht komfortablen Minibus direkt beim Losmen abgeholt. Da ich einer der ersten bin, mache ich es mir auf dem Frontsitz gleich neben dem Fahrer bequem.

Wir kurven noch eine ganze Weile in Labuanbajo rum. Mal stoppen wir am Strassenrand, mal bei einem Losmen und ein ander Mal vor einem stattlichen Haus. Es steigen vor allem Einheimische Fahrgäste zu. Bule, wie wir Weisse von den Indonesier genannt werden, sind hier noch sehr selten unterwegs. Der Bus ist voll, von mir aus können wir losfahren!

Zu früh gefreut. Der Fahrer bringt uns nur zum "Terminal" etwas ausserhalb der Stadt und lässt uns aussteigen. Dort sehe ich jedoch weit und breit keinen Bus! Meine neuen indonesischen Freunde aus dem Losmen klären mich etwas verlegen auf: "Der Lastwagen dort wird unser Bus nach Ruteng sein."

"Was?! Der dort, mit den hochgeklappten Seitenplachen?!?" Ich denke die wollen mich veräppeln. Aber dem ist nicht so! Später leuchtet es mir ein. Auf dieser Strasse ist ein geländegängiger Wagen mit Sperrdifferenzial unentbehrlich!

Immer wieder bringen Bemos weitere Passagiere zum Terminal. Es ist schon später vormittag, als wir gebeten werden es uns auf den Holzpritschen des "Busses" bequem zu machen. Ich meine einen zynischen Unterton und ein schadenfreudiges Lächeln auszumachen.

Anfangs ist die Strasse zwar nicht asphaltiert, aber in einem tadellosen Zustand. Wir kommen zügig voran. Kaum sind wir etwas weg vom Meer, steigt die Strasse kontinuierlich an.

Es geht über Serpentinen in die Berge. Die Strasse wird zur Schlammpiste. Der Fahrer steuert den Lastwagen im Kriechgang durch die knöcheltiefen Fahrrinnen. Manchmal wird der "Bus", wie der Spielball im Flipperkasten, nur so hin und her geschlingert.

Und dann geht plötzlich gar nichts mehr. Die Karre steckt im Morast fest. "Keluar semua! (alle aussteigen)", tönt es vom Beifahrer. Wir entsteigen dem Lastwagen. Der Fahrer bindet ein etwa 10 Meter langes Seil an die vordere Stossstange und fordert ein paar männliche Passagiere auf sich entlang des Stricks aufzustellen.

Die restlichen männlichen Fahrgäste stellen sich zum Schieben hinter den Bus. Die Frauen, Kinder und die gebrechlichen Passagiere stehen am Strassenrand und amüsieren sich köstlich.

Nun begreife ich auch für was die vielen mit Reisig gefüllten Säcke mitgeschleppt worden sind. Vor alle Räder wird nun dieses Abfallprodukt der Reisernte ausgestreut. Da der Bus nicht bloss im Sumpf steckt, sondern regelrecht aufgefahren ist, wird nun unter die beiden Hinterräder Holzbalken getrieben und mit einer improvisierten Schaufel das Erdreich unter der Kardanwelle weggeschaufelt.

Der Fahrer bittet alle Helfer auf Position und startet den Motor. Der erste Gang ist eingelegt. Er beginnt behutsam mit Kupplung und Gas zu spielen bis sich die Räder langsam zu drehen beginnen. Nun heisst es ziehen und schieben auf Teufel komm raus. Denn nur so kommt das Gefährt über die nächsten rund fünfzig Meter.

Sudah! Es ist geschafft. Wir können wieder aufsteigen. Das Seil wird jedoch noch belassen. Aus gutem Grund, denn das Prozedere wiederholt sich noch ein paar Mal. Kurz vor dem Eindunkeln erreichen wir schliesslich Ruteng.

Für die rund 120 Kilometer sind wir sage und schreibe acht Stunden unterwegs gewesen! Aber was für ein Erlebnis! Und macht Euch ein Bild! Zahlende Passagiere ziehen und schieben ihren Bus durch den Dreck! Wahnsinnig schön.